New York, New York. Die große Stadt der Träume, oft jedoch leider auch letzte Ruhestätte ebenjener. Ein kommerzieller Melting Pot für alle erdenklichen Karrierevorhaben. Und was das kreative Schaffen anbelangt, ist wohl keine Stadt der Welt so unerbittlich und hoffnungsschürend zugleich wie der Big Apple. Weshalb der Qualität der hiesigen Fashion Week (ebenso wie allem anderen, was aus Amerika kommt) kürzlich mit wachsender Skepsis begegnet wurde. Viele bezweifeln, dass eine doch so in so hohem Maße auf Celebrities und Geld fixierte Metropole tatsächlich ein Nährboden für ernsthafte Innovation sein kann. Warum bloß? Das ist verdammt nochmal New York.
Zugegeben, ich hatte mir von meiner Rückkehr in meine Heimatstadt nicht wirklich
viel mehr erwartet als einen siebentägigen Hangover und eine satte Überdosis Roter Teppich. Und natürlich wurde ich diesbezüglich
auch nicht enttäuscht. Dies war jedoch das erste Mal, dass ich über die Shows aus der Perspektive einer Journalistin berichtete
(zuvor hatte ich dort gemodelt, war für Styling oder Casting zuständig) und diese Erfahrung war eine ganz und gar andere.
Mir wurde klar, dass die New York City, die man als solche kennt, nicht die Stadt ist, auf die sich alle Welt fokussieren
sollte.
Vieles von, und aus der Stadt, die jeder kennt, ist Müll. Es wäre reine Platzverschwendung, würde ich
mich hier den verzichtbaren Momenten widmen. Die Zelte im Bryant Park waren ein einziges Tollhaus, die mir buchstäblich kostbare
Lebenszeit raubten. Ständig traf ich zufällig auf alte Studienkollegen von der NYU, die nun die vordersten Reihen bei einigen
der größten Shows okkupierten (Ich selbst saß meist in der dritten Reihe). Schräg. Alle waren VÖLLIG durchgestylt. Und wer
in Sachen soziale Netzwerke (via Blog, Twitter, Facebook, etc.) nicht auf dem letzten Stand war, hätte sich erst gar nicht
hierher bemühen müssen. Jungs und Mädels, wir leben nun mal im Zeitalter der Selbstvermarktung, ob es euch passt oder nicht,
also wenn ihr nicht grad Anna Wintour heißt und trotzdem international mitreden möchtet, dürft ihr nicht grad aufs
Maul gefallen sein.
Die Rettung der Woche kam in Form der The Milk Studios Präsentationen. Das ist das New York, auf das die Welt blicken sollte. Im Meatpacking District nahe der kürzlich renovierten Highline und dem Hudson River gelegen, zeigten all die coolen Kids und aufstrebenden Designer dort was sie so drauf haben. Unprätentiös gings beim Einlass zu, der Großteil der Crowd sprach fließend Japanisch (das traf auf alle ethnischen Gruppen zu) und der Ausblick aus den Studios versetzte mich zurück in meine Oldschool Rave-Zeiten in Brooklyn. Jene, die hier zeigten, mussten keinen Cent dafür bezahlen. Einzig und allein Talent entschied, wer hier mitmachen durfte. So präsentierte Gareth Pugh eine phänomenale Videoinstallation vor einer übervollen Crowd. Gleich nebenan feierte Alexander Wang eine ausgelassene Party an einer Tankstelle (oh so Zoolander!). Und selbst oberhalb der Highline hielt Diane von Fürstenberg eine Soiree ab, nach der ich mir schwor, nie wieder Alkohol zu trinken.
Meine persönlichen Favoriten waren die Labels In-General (zum Teil deshalb, weil ich nun mal eine Schwäche für Topmodels habe. Ganz gleich ob männlich oder weiblich. An ihnen sieht einfach alles noch viel hübscher aus) und die atemberaubende Kollaboration zwischen meiner lieben Freundin (und ehemaligen NYU Studienkollegin) Pamela Love und Derrick Cruz von Black Sheep & Prodigal Sons. Pam wird zurzeit ziemlich gehypt, in der Pariser Vogue ebenso wie in Purple Magazine, aber es waren Derricks ruhigere Stücke, die die Konsumentin in mir ins Schwärmen versetzten. Ein lederner Brustpanzer mit antiken Elfenbein-Klaviertasten? Der Caipirinha Hangover war dabei schnellstens vergessen.
Ebenfalls abseits der Norm präsentierte sich Telfar. Er steht in loser
Verbindung zur Black Angels Group (eine Art Untergruppe der Williamsburger Neo-Afro Punk Bewegung) und ist zurzeit DER
Underground-Talk of Town. Seine von Schiffbruch inspirierte Kollektion kam ganz ohne Metallverschlüsse aus und war gänzlich
aus recyceltem Material gefertigt. (Man denke stets an die Zukunft!)
Den bleibendsten Eindruck der Woche jedoch hinterließ bei mir die Stadt selbst. Ich bin immer wieder fasziniert von der Fähigkeit und dem Bestreben der Stadt, sich ständig zu verändern und neu zu strukturieren. New York war schon immer ein Ort der Selbstverwirklichung und aufstrebender Talente, und solange Manhattan sich nicht in Mietpreisexplosionen und Sex and the City-artiger Mythenbildung verliert, wird sich daran so schnell auch nichts ändern.
Abseits der zu Tode dokumentierten, glamourösen City-Tales bleibt New York die Stadt der Individualität. Das ursprüngliche Zuhause der Freaks & Geeks. Hier kann man nicht schockieren. Und doch suchen alle hier nach Ehrfurcht und Inspiration. Und irgendwie bin ich dann auch selbst fündig geworden, inmitten der grellen Lichter der Großstadt, gesponsert von Mercedes Benz.